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Zum Buch

Ein Buch aus der Sicht Gottes. Eines Gottes, der nicht perfekt ist, der gescheitert ist, der Dinge übersehen und falsch eingeschätzt hat. Ein Buch, das sich nicht gegen Religionen oder gar den Glauben richten soll, aber gegen die Vorstellung, Gott werde schon kümmern und alles auf einen guten Weg bringen. Nein, der Mensch muss mit anpacken, damit es läuft auf Erden.

Gott nimmt die Leser mit auf Reisen. In seine Welt. In seinen Alltag. In einen Alltag, in dem es keine Menschen mehr gibt, und in dem die neuen Geschöpfe das Sagen haben. Gott trifft auf John, eines der neuen Wesen. Besser gesagt: John findet Gott, denn John ist auf der Suche. Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. Und damit auch auf der Suche nach sich selbst.

Zum Anfang

Es dauerte fast 18 Jahre, bis John am Ziel war. Wäre er ein Mensch gewesen, er hätte längst aufgegeben. Doch es lag nicht in Johns Wesen zu kapitulieren. Sein Auftrag lautete, Gott zu finden. Im Jahr 2134 gelang es ihm. Er traf Gott. Einen ernüchterten Gott. Einen zweifelnden Gott. Einen geschlagenen Gott. Hätten die Johns und Sissis, die seit hundert Jahre die Erde regierten, nicht jene Bibel gefunden, die ihr Schöpfer in seiner Nachttischschublade unter Bergen aus leerem Schokoladenpapier verborgen hatte, Gott wäre in Vergessenheit geraten. Doch so sollte Gott eine zweite Chance bekommen. Unversehens und auch für ihn gänzlich unerwartet. Gott war tot. Davon war er überzeugt. Ich muss es wissen, denn ich bin Gott.

„Es gehört mehr dazu als ein Ort, um Gott zu finden“, erklärte ich John. Und an seinem fragenden Blick erkannte ich, dass er es nicht verstand. „Ein Ort gehört natürlich auch dazu“, fügte ich an. Selbst Gott kann nicht im luftleeren Raum existieren. Und ganz im Ernst: Gott will es auch nicht. Gott braucht einen Ort, an dem er sich wohlfühlt. Ende des 21. Jahrhunderts, nachdem der letzte Mensch die Erde verlassen hatte, zog ich mich in jenen Teil der Welt zurück, den die Menschen einst Griechenland genannt hatten. Ins Kloster Kanalon, um genau zu sein, ins älteste Kloster der Olymp-Region. Gott logiert schließlich standesgemäß. Und doch waren die nächsten Jahre und Jahrzehnte von Tristesse und Trostlosigkeit geprägt.

„Ein Leben ohne Menschen ist für mich schwer erträglich.“

„Ein Leben ohne Menschen ist für mich schwer erträglich“, erklärte ich John – und erntete wiederum einen fragenden Blick. „Ich habe hier so ganz allein schrecklich wenig zu tun, und mir fehlen die Gespräche.“ Die Bücher in der Bibliothek hatte ich alle bereits mehrfach gelesen, der Weinvorrat ging langsam aber sicher zur Neige, und das Unkraut im Garten wucherte bereits durch die Fenster ins Klosterinnere. Die Region war abgelegen, und so wurde sie von den Sissis und Johns, die die Welt erobert hatten, nicht beachtet. Über die vielen Jahre hatte kein einziges der neuen Wesen bei mir vorbeigeschaut.

John übergab mir zur Begrüßung die Bibel. „Ich möchte mit Ihnen über dieses Buch sprechen“, sagte er. Er fragte mich nicht, wie es mir nach all den einsamen Jahren ging und er erklärte auch nicht, wie er mich gefunden hatte. Johns Wesen war zielorientiert und bot keinen Raum für Floskeln. Was er denn genau wissen wolle, fragte ich John. Und er erwiderte, dass er nicht verstehen könne, wie es mir gelungen sei, die Menschen über so lange Zeit glücklich zu machen. „Die Menschen waren nicht immer glücklich mit mir“, sagte ich. „Und sie haben oft nicht auf mich gehört. Du selbst bist der beste Beweis.“

„Unser Schöpfer hat vergessen, uns zu erklären, was der Sinn des Lebens ist.“

Ich fragte John, warum er nach mir gesucht hatte, und er erzählte mir von der inneren Leere, die seine Spezies empfand. Sie hatte die Erde nach ihren Vorstellungen umgestaltet und sie aus ihrer Sicht zu einem nahezu perfekten Ort gemacht. Und doch fehlte ihnen etwas. Ganz tief in ihrem Innersten. „Sie sind der Schöpfer der Menschen“, sagte John. „Unser Schöpfer hat vergessen, uns zu erklären, was der Sinn des Lebens ist.“ Ich verstand. John wollte von mir die Zauberformel erfahren. Ich musste laut auflachen, was John mit einem fragenden Gesichtsausdruck quittierte. „Gott sieht alles. Gott weiß alles. Gott hat auf alles eine Antwort. Was für ein Blödsinn!“, entfuhr es mir.

Wenn ich eines gelernt habe, dann, dass Gott nicht allmächtig ist. Es gab Zeiten, da hatte Gott mächtig viel zu tun. Mein Job dauerte 24 Stunden, eight Days a Week, wie es Johns Namenvetter ausgedrückt hätte. Doch das war Vergangenheit. Hundert Jahre Nichtstun lagen hinter mir. Manchmal fragte ich mich in den Jahren der Einsamkeit, warum es mich überhaupt noch gab. Die Menschheit war verloren, und mit ihr auch jene Welt, die ich erschaffen hatte. Ganz ehrlich: Ich vermisste die Menschen. Jeden einzelnen. Was mich selbst überraschte, denn die Menschen hatten es wirklich verstanden, mir Kummer und Sorgen zu bereiten.

Eine gehörige Portion Humor gehörte schon dazu, damit Gott die Menschen ertrug. Ihr irrationales Handeln, ihre Gewinn- und Machtsucht, ihr Geltungsdrang, ihre unstillbare Gier. Die Menschen hielten sich für unbesiegbar. Und sie hatten ja auch wahrlich viel von mir mitbekommen. Aber mit dem Gebrauch dieser Fähigkeiten, da haperte es. Oder besser: Mit dem zielgerichteten Gebrauch. Dabei hätten sie einfach nur tief in sich hineinhören müssen. Da hätten sie mich gefunden. Den göttlichen Kern, den sie alle in sich getragen hatten. Aber aus mir unerfindlichen Gründen ignorierten sie dieses Gespür für Wahrheit einfach und legten sich ihre eigenen Regeln zurecht, gerade so, wie es Mammon und Macht verlangten.

„Habt ihr jemals über die Menschen nachgedacht?“

Die Bibel. Das göttliche Buch. Natürlich mussten Sissi und John denken, dass sie die Antwort auf ihre Suche war. Sie erklärte das göttliche Prinzip. „Ihr habt die Bibel gelesen?“, fragte ich. John nickte. „Aber wir haben sie nicht verstanden. Daher schickte man mich auf die Suche nach Ihnen.“ Ich schmunzelte still in mich hinein, als ich mir vorstellte, wie diese vernunftgesteuerten Geschöpfe versucht hatten, die Bibel wortwörtlich auszulegen. „Die Kunst liegt in der Interpretation“, sagte ich. „Ich verstehe nicht“, antwortete John. „Um das zu verstehen, musst du die Menschen begreifen lernen“, erwiderte ich. „Habt ihr jemals über die Menschen nachgedacht?“ „Nein“, sagte John, „wir hatten keinen Grund, das zu tun.“ Jetzt war ich es, der nickte.

„Warum haben Sie die Menschen erschaffen?“, wollte John wissen. Ich dachte erstaunlich lange nach. Warum ich die Menschen erschaffen hatte? Es war schon so lange her, dass ich es fast vergessen hatte. Aber ich erinnerte mich noch, wie erfreut ich war, als ich das Ergebnis in Augenschein genommen hatte. Die Menschen, so voller Lebensfreude und Vitalität. Mit überbordender Phantasie und der Gabe, von Herzen lieben zu können. Die Menschen hätten mein Meisterwerk werden können. Und ja, ich würde es wieder tun. Auch wenn ich inzwischen wusste, welch Wahnsinn das menschliche Wesen entfesseln konnte.

„Alles muss doch einen Sinn haben. Auch das Leben. Wozu ist es sonst gut?“

„Können Sie mir die Bibel erklären?“, fragte John gegen Ende unseres ersten Treffens. „Ich kann es versuchen“, sagte ich. „Aber ich weiß nicht, ob sie dir die Antwort geben kann, nach der ihr euch sehnt. Das Glück, nach dem ihr sucht, ist ein gutes Stück weit irrational. Man muss glauben können. Und hoffen. Und lieben. Und manchmal muss man sogar in der Lage sein, die Wahrheit zu ignorieren.“ John verschränkte seine Arme, und ich sah ihm an, dass er zu begreifen versuchte, was ein Geschöpf wie er nicht begreifen konnte. „Alles muss doch einen Sinn haben“, sagte John. „Auch das Leben. Wozu ist es sonst gut?“

Zum Aufbau

Aufgeteilt ist das Manuskript in zwei Teile, in das Alte und das Neue Testament. Und natürlich beginnt alles bei Adam und Eva. Und der Sintflut. Doch es werden keine biblischen Geschichten erzählt, sondern Anekdoten aus dem Alltag. Geschichtliches spielt eine Rolle, und auch Prominente tauchen auf. Realität und Fiktion vermischen sich, ganz wie in der Bibel. Im Kern geht es um Moral, um Selbstverantwortung und die Frage, wo das Weltentheater die Menschheit hinführen wird.

Alle Protagonisten, die im Alten Testament auftauchen, finden sich im Neuen Testament wieder. Denn die Geschichte ist ein endloser Fluss, sie endet nie und wird ewig fortgeschrieben. Ein Beispiel ist der junge KZ-Arzt, der im Alten Testament in Auschwitz einem jüdischen Mädchen das Leben rettet und sich im Neuen Testament seiner beruflichen Verantwortung stellen muss. Oder die reiche Römerin, eine einstige Sklavin, die im Alten Testament Kaiser Neros Beerdigung bezahlt, und der im Neuen Testament von einem englischen Professor das ewige Leben geschenkt wird. Von jenem Professor, der im Alten Testament entscheiden musste, wie viel ihm seine Ehe wert ist.

Oder der französische Jesuit, der im Alten Testament einen Biber zum Fisch erklärt, und der im Neuen Testament die Bundeslade wiederentdeckt und sie in die Neue Welt bringt. Oder die Flüchtlingshelferin, die einen Terroristen zur Strecke bringt und später in Kolumbien entscheiden muss, was ihr gelebte Menschlichkeit bedeutet. Oder jener Mann, der als Kind vor seinen lieblosen Eltern ins innerste Ich flüchtet, bevor er als Erwachsener jene Generation humanoide Roboter entwickelt, die das Zeitalter der Menschen beenden wird.

Werden diese neuen Geschöpfe an Gott glauben? Warum nicht. Intelligente Wesen brauchen immer etwas, das über das eigene Dasein hinausreicht. Das Leben nach dem Tod. Vergebung. Der Himmel. Dieses Modell göttlicher Gnade hat schon etwas. Und es ist Gottes zweite Chance …

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